Besetzung und Gefangennahme

Am 8. September 1943 verkündete Italiens Regierungschef Pietro Badoglio den Waffenstillstand mit den bisherigen Kriegsgegnern, den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und der Sowjetunion. Italien wurde vom Verbündeten der Deutschen zum Feind. Die Wehrmacht hatte ihre Truppen in Italien schon im August verstärkt. Jetzt entwaffnete sie die italienische Armee auf dem italienischen Festland sowie in den von Italien besetzten Gebieten in Südfrankreich, auf dem Balkan und in Griechenland.
Der italienische König sowie die Staats- und Militärführung flohen aus Rom. Das italienische Heer blieb ohne klaren Befehl zur Gegenwehr. Die zahlenmäßig unterlegenen Deutschen besetzten die Halbinsel und nahmen insgesamt etwa 800 000 Soldaten meist kampflos gefangen. Nur vereinzelt leisteten italienische Einheiten Widerstand.

 


„Die Kinder warfen mit Steinen nach uns und die Frauen spuckten uns an ... Wir waren schlechte Menschen, die Verräter, der Abschaum der Menscheit. Fast noch mehr als der Hunger schmerzte uns diese Verachtung!“

Settimo Bosetti, 1998

Aus der Ausstellung

In seinem Kalender – ein Geschenk seiner Verlobten – notierte der Jurist und Hauptmann Mario Zipoli (1911-1991) die Erlebnisse während seiner Gefangennahme in Frankreich, auf dem Transport nach Deutschland und in den deutschen Kriegsgefangenenlagern:

"8. September, Mittwoch, um 20 Uhr wird uns vom Divisionskommando mitgeteilt, dass ein Waffenstillstand geschlossen wurde; 9. September, Donnerstag, Nach einer stürmischen Nacht haben uns die Deutschen gefangen gesetzt; 10. September, Freitag, … Heute ruhiger Tag. Sie haben uns ohne Mittagessen gelassen; 11. September, … Auch heute ohne Mittag- und Abendessen. Um 16 Uhr Abmarsch zur Bahnstation …, zu Fuß. Abfahrt im Zug gegen 24 Uhr mit unbekanntem Ziel; 12. September, Sonntag, Um 18 Uhr erreichen wir Marseille. Es ist heiß und der Durst macht sich bemerkbar. Zunge und Lippen sind trocken: Der Durst ist wirklich schrecklich."
 

Propaganda

Propagandafotografen begleiteten die Besetzung des italienischen Festlandes durch die Wehrmacht. Ihre Aufnahmen sollten zeigen, dass Deutschland die Situation trotz der Landung der Alliierten im Griff hatte. Die Deutschen versprachen den Italienern, sie in die Heimat zu entlassen. Offiziere durften ihre Waffen zunächst sogar behalten. Bei den einfachen Soldaten herrschte Freude über das vermeintliche Ende des Krieges.
 

Verrat?

Die Verkündung des Waffenstillstands mit den Alliierten durch Italien am 8. September 1943 wurde vom nationalsozialistischen Deutschland als „Verrat“ interpretiert. Die Zeitungen empörten sich über die Aufkündigung des deutsch-italienischen Bündnisses durch Regierungschef Pietro Badoglio und das italienische Königshaus. Die nationalsozialistische Propaganda verglich den Seitenwechsel Italiens mit dessen Verhalten im Ersten Weltkrieg. 1915 hatte Italien den Partnern Deutschland und Österreich trotz eines Bündnisvertrags den Krieg erklärt. Die deutsche Presse knüpfte in ihren Veröffentlichungen aber auch an ältere, seit dem frühen 19. Jahrhundert bestehende Vorurteile über die Italiener an. Die Propaganda hatte deutlich negative Folgen für die Behandlung der italienischen Soldaten in deutscher Gefangenschaft.