Erinnerung statt Entschädigung
Die deportierten Italiener kehrten in ein politisch völlig verändertes Land zurück: Der Faschismus war Vergangenheit, die Monarchie wurde 1946 abgeschafft. Eine hohe Arbeitslosigkeit erschwerte den beruflichen Neuanfang. Den Ex-Internierten unterstellte man, freiwillig für die Deutschen gearbeitet zu haben. Viele schwiegen daher über die Gefangenschaft in Deutschland.
Die offizielle Erinnerungskultur in Italien würdigte die Militärinternierten erst spät. Seit den 1980er Jahren wird ihre Verweigerung der Kollaboration als „Widerstand ohne Waffen“ anerkannt. In Deutschland ist ihr Schicksal so gut wie unbekannt.
"Wir wurden von niemandem anerkannt! Dafür, dass wir eine Strafe verbüßen mussten, als Gefangene! Denn wir Kriegsgefangenen haben Widerstand geleistet, wir haben es nicht akzeptiert, mit den Deutschen zu kollaborieren! Das ist wirklich Resistenza!"
Albino Luciano Isabellon, 2006
Erinnerung?
Kein (offizielles) Erinnern an Militärinternierte in Italien
Seit 1946 feiern die Italiener alljährlich die Befreiung vom faschistischen Regime und von der deutschen Besatzung durch die „Resistenza“ (Widerstand) am 25. April 1945. Die demokratischen Regierungen der italienischen Republik betonten den Aspekt der nationalen Selbstbefreiung. Sie wurde ab den 1960er Jahren von allen demokratischen Kräften als „Gründungsmythos“ des Staates anerkannt. Die Militärinternierten hatten darin lange keinen Platz: Sie erinnerten an Italiens unrühmliche faschistische Vergangenheit, die man lieber vergessen wollte. Erst mit der Akzeptanz der Gefangenschaft der Militärinternierten als Form des "Widerstands" fand ihre Geschichte Eingang in die gesellschaftliche und nationale Erinnerungskultur.
Entschädigung?
Bis heute entschädigte der deutsche Staat die Mehrheit der Militärinternierten nicht. Von den Entschädigungszahlungen für Zwangsarbeit ab 2001 waren Kriegsgefangene ausgeschlossen. Auch die Italiener galten jetzt als Kriegsgefangene, ihre Zwangsarbeit erkannte die Bundesrepublik nicht an.
Chronik der verweigerten Entschädigung
27. Februar 1953
Londoner Schuldenabkommen
Reparations- und Entschädigungsforderungen von ehemaligen ausländischen
Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen an die Bundesrepublik werden auf einen späteren
Friedensvertrag verschoben.
Juni 1956:
Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer nationalsozialistischer Verfolgung
Keine Zahlungen an ehemalige ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene.
2. Juni 1961:
Deutsch-Italienisches Globalabkommen
Die Bundesrepublik zahlt 40 Millionen Deutsche Mark (etwa 20 Millionen Euro) als
Entschädigung für Verfolgte des NS-Regimes. Ehemalige Militärinternierte erhalten
nichts.
2. August 2000:
Gesetz zur Errichtung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ)
Die Bundesrepublik und die deutsche Wirtschaft stellen 10 Milliarden Deutsche Mark
(etwa 5 Milliarden Euro) zur Entschädigung von ehemaligen Zwangsarbeitern und
Deportierten bereit.
27. November 2001:
„Unterrichtung“ der Bundesregierung über den Ausschluss der Militärinternierten
von Entschädigungszahlungen durch die EVZ
Die Bundesregierung folgt einem Gutachten, das die Militärinternierten – trotz
Überführung in den Zivilstatus 1944 – als Kriegsgefangene wertet. Diese sind von
Entschädigungszahlungen der EVZ ausgeschlossen. Von etwa 130 000 italienischen
Anträgen wird der größte Teil abgelehnt.
11. März 2004:
Urteil des Obersten italienischen Gerichts
Die Bundesrepublik wird zur Zahlung von Schadensersatz an italienische Zwangsarbeiter
verurteilt. Für die Entschädigung der Ex-Internierten bleibt das Urteil folgenlos.
2012:
Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Den Haag
Das Gericht schließt zivilrechtliche Klagen ausländischer und damit italienischer
Staatsbürger gegen die Bundesrepublik aus.