Besen – enthielten Spuren von Zwangsarbeit

Besen und Bürsten waren überall im Einsatz bei der Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs. Tausende Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter mussten kehren, putzen und schrubben: in Haushalten und Fabriken, auf den Straßen, in der Landwirtschaft oder im Garten – vor aller Augen.

Der Besen war ein einfaches Gerät, das es in unterschiedlichsten Varianten gab: Zimmerbesen, Straßenbesen, Industriebesen, Staubbesen, Scheuerbürste, Schrubber, Schuhbürste oder Bürsten und Pinsel zur Reinigung von Gewehrkolben und Maschinen. Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter hantierten nicht nur täglich damit, sondern wurden auch in der Bürstenherstellung eingesetzt.

Besen und Bürsten prägen daher auch die Erinnerungen vieler Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, zum Beispiel die des Niederländers Piet de Ruiter. Am 1. April 1944, ein Samstag, schrieb er in sein Tagebuch: „Bis 12 Uhr gearbeitet. Die Stube geschrubbt. Ich habe davon ein paar Bilder gemacht“.

Das Schrubben und Scheuern der Tische vor der Baracke mit Bürsten, Eimer und Straßenbesen musste Piet de Ruiter abends in seiner Freizeit oder an den Wochenenden verrichten. Tagsüber leistete er Zwangsarbeit bei der Accumulatoren-Fabrik Aktiengesellschaft, kurz AFA, in Hannover.

Untätigkeit wurde in keiner Lebenslage geduldet, wie sich auch die einstige Zwangsarbeiterin Kasimira Kosonowska erinnert: „Eine andere Frau aus dieser Stube gebar ein Baby, für das sie sorgte, anstatt in die Fabrik zur Arbeit zu gehen. Während wir arbeiteten, war sie verpflichtet, in unserer und in den anderen Stuben sauber zu machen. Jeder musste Beschäftigung haben. Sogar die alte Ukrainerin ging mit einem scharf gespitzten Stock auf dem Gelände herum und sammelte Papiere und Abfälle in einen Eimer.“

Tausende Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter mussten im Deutschen Reich mit Besen Müll beseitigen und Straßen reinigen. Ein großer städtischer Arbeitgeber war die Berliner Müllabfuhr Aktiengesellschaft, kurz BEMAG, die 1935 in Städtische Müllbeseitigungsanstaltumbenannt wurde. Im Oktober 1941 beschäftigte die Berliner Müllabfuhr 199 Juden, 205 Polen, 216 Ukrainer und 29 Slowaken als Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die damit gut ein Drittel der Belegschaft stellten. Ein Jahr später war die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte weiter gestiegen. Ab Februar 1943 wurden die jüdischen Arbeitskräfte in die Vernichtungslager im Osten deportiert.

Betriebsführer der Berliner Müllabfuhr war seit 1933 der SS-Mann Fritz Karl Engel. Engel war persönlich mit dem Arbeitseinsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern befasst und verhielt sich ihnen gegenüber besonders rücksichtslos. Bekannt ist zum Beispiel, dass er sie in Berlin-Schöneberg bei Frost und Schnee barfuß zur Arbeit schickte.

Die Abteilung Straßenreinigung der Berliner Müllabfuhr betrieb während des Krieges mindestens zehn eigene Lager, unter anderem in den Bezirken Pankow, Zehlendorf, Kreuzberg, Lichtenberg und Marienfelde.

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Zahlen

Etwa 26 Millionen Menschen aus fast ganz Europa mussten während des Zweiten Weltkriegs im Deutschen Reich und in den besetzten Gebieten für den NS-Staat arbeiten. Darunter waren Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Die größte Gruppe bildeten die rund 8,4 Millionen ins damalige Deutsche Reich verschleppten Zivilarbeiterinnen und Zivilarbeiter: Männer, Frauen und Kinder aus den besetzten Gebieten Europas.

Straßenreinigung und Müllbeseitigung waren Tätigkeiten, die Tausende Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkriegs erledigen mussten. Wie viele es insgesamt waren, lässt sich nicht sagen, da es keine wissenschaftliche Gesamtdarstellung zum Thema gibt. Das gilt auch für die Herstellung von Besen. Bekannt ist, dass es 1939 im Deutschen Reich über 7.500 Betriebe mit 31.000 Beschäftigten gab, die Besen, Bürsten und Pinsel herstellten. Auch in den besetzen Gebieten, zum Beispiel in Litauen, wurden Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter bei der Produktion von Besen eingesetzt.

Gegenwart

Zwangsarbeit ist keineswegs ein längst vergangenes Unrecht. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) sind auch heute noch mehr als 40 Millionen Menschen Opfer von modernen Formen der Sklaverei. 29 Millionen sind Frauen und Kinder. Reinigen und putzen gehört auch heute zu den Tätigkeiten von Menschen, die zur Arbeit gezwungen werden.

Andrew Forrest, Gründer der Walk-Free-Stiftung, die eng mit den Vereinten Nationen zusammenarbeitet, sagt dazu: „Die Tatsache, dass sich immer noch 40 Millionen Menschen jeden Tag in moderner Sklaverei befinden, sollte uns die Schamesröte ins Gesicht treiben. Moderne Sklaverei betrifft Kinder, Frauen und Männer weltweit. Dies dokumentiert die tief greifende Diskriminierung und Ungleichheit in der Welt, gepaart mit einer schockierenden Toleranz für Ausbeutung. Wir müssen das stoppen. Wir alle können dazu beitragen, diese Realität zu ändern – in der Geschäftswelt, Regierung, Zivilgesellschaft und als Einzelner.“