Überführung in die zivile Zwangsarbeit

Im Juli 1944 erwirkte Mussolini von Hitler die Entlassung der Militärinternierten aus der Zuständigkeit der Wehrmacht. Die Nationalsozialisten erklärten sie zu Zivilarbeitern. Sie durften nun die Lager verlassen und erhielten leichteren Zugang zu Lebensmitteln. Die Arbeitsbedingungen änderten sich jedoch nicht. Für die Überwachung der Italiener waren nun Polizei und Gestapo zuständig. Für die faschistische Repubblica Sociale Italiana (RSI) bedeutete die Überführung einen Prestigegewinn. Die Deutschen hofften vor allem auf bessere Arbeitsleistungen der Italiener.

Für kurze Zeit verbesserte sich die Situation vieler Ex-Militärinternierter. Doch bald führte die Kriegslage zu einer schlechteren Versorgung. Alliierte Bombenangriffe bedrohten auch die Italiener. Bei Kriegsende ermordeten Wehrmacht und Gestapo willkürlich größere Gruppen italienischer Zwangsarbeiter.

"Erst nach den Übereinkünften zwischen Hitler und Mussolini verschwanden die bewaffneten Wachen und man konnte aus dem Lager herausgehen. … Aber die Arbeit und die Lebensmittelversorgung blieben wie vorher, also quälender Hunger."
Giuseppe Visentin, 1998

Zivilstatus

Die NS-Propaganda inszenierte die Überführung in den Zivilarbeiterstatus als „Befreiung“. Das sollte vor allem darüber hinwegtäuschen, dass die Italiener weiter Zwangsarbeit leisten mussten. Selbständig den Arbeitsplatz wechseln oder nach Italien zurückkehren durften sie auch als zivile Zwangsarbeiter nicht.

Aus der Ausstellung


Werksausweis für die Sprengstofffabrik Hessisch-Lichtenau (Heli), 12. September 1944

Bei „Heli“ wurde für die Wehrmacht der Sprengstoff TNT produziert. Alessandro Comberlato musste unbrauchbare Geschosse öffnen, damit das TNT erneut verwendet werden konnte. Bald färbte der Sprengstoff sein Haar schwefelgelb.


Unterstützung für die Repubblica Sociale Italiana (RSI)?

Die Militärinternierten galten wegen ihres besonderen Status nicht als Kriegsgefangene. Das Internationale Rote Kreuz war daher nicht für sie zuständig. Die Nationalsozialisten übertrugen ihre Betreuung der im September 1943 gegründeten RSI. Ein „Hilfsdienst für Internierte“ sollte die Versorgung mit Lebensmitteln und den Briefkontakt zu den Familien in Italien sicherstellen. Mussolini wollte so die Unterstützung der Bevölkerung für seinen auf Nord- und Mittelitalien beschränkten neuen Staat gewinnen.

Als Zeichen ihrer Eigenständigkeit plante die RSI zudem die Bildung einer eigenen Armee. Hitler misstraute „den Italienern“ und gestattete nur vier Divisionen. Kollaborationswillige Militärinternierte wurden in neue Einheiten eingegliedert und ausgebildet.

Weder die Hilfe für Internierte noch die neuen Divisionen brachten für die RSI einen nennenswerten ideologischen oder militärischen Nutzen.

 

Paketsendungen dienten der RSI bei der italienischen Bevölkerung als wichtigster Beweis für ihre Hilfe an die Militärinternierten. Der Versand begann jedoch erst im Juni 1944 und blieb in der Menge ungenügend.