Fußball – enthielt Spuren von Zwangsarbeit

Fußballspielen war für Zwangsarbeiter eine willkommene Ablenkung, aber keine Selbstverständlichkeit. Osteuropäern war es sogar streng verboten. Und doch verhalf das Spiel einigen wenigen zu besseren Lebensumständen ‒ wie dem niederländischen Zwangsarbeiter Bram Appel.

Abraham Leonardus Appel wurde 1921 in Rotterdam geboren und wuchs in Den Haag auf. Schon als Jugendlicher spielte er für lokale Fußballclubs. Während der deutschen Besatzung der Niederlande wurde der junge Mann 1942 bei einer Razzia festgenommen und als Zwangsarbeiter nach Berlin deportiert.

Wie viele andere Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wurde er zunächst in der Rüstungsindustrie eingesetzt, wo er Teile aus Kunststoff für den Flugzeugbau bearbeitete. In seiner knappen Freizeit spielte er Fußball ‒ ein Privileg, das nur wenige Zwangsarbeiter hatten. Menschen aus Polen und der Sowjetunion lebten in bewachten Lagern, in denen Fußball strikt verboten war. Nur Westeuropäer wie Bram Appel, die in den Augen der Nationalsozialisten besser gestellt waren, kamen teilweise in Privatquartieren unter und konnten nach der Arbeit kicken.

Das Talent von Bram Appel blieb nicht lange unbemerkt. Hans Sauerwein, Trainer des Fußballvereins Hertha BSC, wurde auf den Niederländer aufmerksam. Viele Vereine hatten Schwierigkeiten, ihre Mannschaften zu besetzen. Denn je länger der Krieg dauerte, desto mehr deutsche Spieler mussten an die Front. Damit Hertha weiter an Wettkämpfen teilnehmen konnte, begann der Verein, auch Zwangsarbeiter in die Mannschaft aufzunehmen. Für Bram Appel war das ein Glück, das ihm vielleicht das Leben rettete: Er wurde aus der gefährlichen Fabrikarbeit abgezogen, kam in ein Büro und bezog ein eigenes Zimmer im Berliner Stadtteil Ruhleben. Auch seine Essensrationen fielen nun höher aus.

Für Hertha erwies sich der hochgewachsene Mann als Gewinn: Denn Bram Appel war ein begnadeter Torschütze und verhalf Hertha im Januar 1944 zum Sieg bei der Gaumeisterschaft Berlin-Brandenburg. Rassenwahn oder Kriegsbegeisterung, so erinnerte sich Appel später, hätte es bei Hertha nicht gegeben. Sogar um den Hitlergruß bei den Spielen drückte er sich ungestraft herum. In den Sportredaktionen war man vorsichtiger, statt mit seinem jüdisch klingenden Vornamen „Abraham“ sprachen ihn die Journalisten mit „Leo“ an.

Nach dem Krieg kehrte Bram Appel in die Niederlande zurück. Dort begegnete man ihm mit Distanz. Ein Schicksal, das der Heimkehrer mit vielen anderen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern teilte. In ihrer Heimat wurden sie oft als Verräter abgestempelt, die für den Feind gearbeitet hätten. Erst nach zwei Jahren durfte er wieder in niederländischen Mannschaften spielen, 1948 wurde er ins holländische Nationalteam berufen. Als er jedoch die Führung für ihre Zusammenarbeit mit den deutschen Besatzern kritisierte, wurde er aus dem Nationalkader gestrichen. In der Chronik von Hertha BSC taucht Bram Appel bis heute nicht auf.

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Zahlen

Etwa 26 Millionen Menschen aus fast ganz Europa mussten während des Zweiten Weltkriegs im Deutschen Reich und in den besetzten Gebieten für den NS-Staat arbeiten. Darunter waren Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Die größte Gruppe bildeten die rund 8,4 Millionen ins damalige Deutsche Reich verschleppten Zivilarbeiterinnen und Zivilarbeiter: Männer, Frauen und Kinder aus den besetzten Gebieten Europas. Neben Bram Appel sind zwei weitere Zwangsarbeiter bekannt, die während des Krieges bei Hertha BSC Fußball gespielt haben, Eli de Heer und Nout Bierings.

Gegenwart

Zwangsarbeit ist keineswegs ein längst vergangenes Unrecht. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) sind auch heute noch mehr als 40 Millionen Menschen Opfer von modernen Formen der Sklaverei. 29 Millionen der zu Arbeit gezwungenen Menschen sind Frauen und Kinder.

Andrew Forrest, Gründer der Walk-Free-Stiftung, die eng mit den Vereinten Nationen zusammenarbeitet, sagt dazu: „Die Tatsache, dass sich immer noch 40 Millionen Menschen jeden Tag in moderner Sklaverei befinden, sollte uns die Schamesröte ins Gesicht treiben. Moderne Sklaverei betrifft Kinder, Frauen und Männer weltweit. Dies dokumentiert die tief greifende Diskriminierung und Ungleichheit in der Welt, gepaart mit einer schockierenden Toleranz für Ausbeutung. Wir müssen das stoppen. Wir alle können dazu beitragen, diese Realität zu ändern – in der Geschäftswelt, Regierung, Zivilgesellschaft und als Einzelner.“