Zwangsarbeit der Soldaten für den Krieg
Die Wehrmacht verteilte die Italiener auf mehr als 60 Stammlager (Stalag) im Deutschen Reich und im besetzten Polen. Damit standen dem nationalsozialistischen Regime Hunderttausende Arbeitskräfte zur Verfügung. Diese wurden in der Kriegswirtschaft dringend benötigt. Hitler erklärte die gefangenen Italiener zu „Militärinternierten“. Damit umging er das völkerrechtliche Verbot, Kriegsgefangene in der Rüstungsproduktion einzusetzen.
Über 450 000 Soldaten und Unteroffiziere arbeiteten ab Ende 1943 meist für die Rüstung, im Bergbau und in der Bauwirtschaft. Offiziell blieb die Wehrmacht für die Militärinternierten zuständig. Doch hatten auch die Betriebe zunehmend Einfluss auf ihre Lebensbedingungen. Unzureichende Verpflegung und harte Strafen waren in den Stalag und Betrieben die Regel. Bis Kriegsende starben etwa 25 000 Italiener.
„... todmüde kamen wir auf offenem Feld zu einer Gleisbaustelle. ... Wir haben Holzschwellen durch Stahlschwellen ersetzt. Schwerstarbeit, und den ganzen Tag in der Kälte. Am Mittag des ersten Tags hofften wir aus Esse, aber leider gab es nichts.“
Renzo Roncarolo, 1986
Kriegsgefangene oder Militärinternierte?
Nach dem Waffenstillstand vom 8. September 1943 besetzte die Wehrmacht das italienische Festland. Die festgesetzten italienischen Militärangehörigen galten anfangs als Kriegsgefangene. Ende September wurde die faschistische Repubblica Sociale Italiana (RSI) gegründet. Der auf Nord- und Mittelitalien beschränkte Satellitenstaat blieb unter Führung Mussolinis bis zum Kriegsende Bündnispartner des Deutschen Reiches. Militärangehörige eines verbündeten Staates konnten aber keine Kriegsgefangenen sein. Daher änderte Hitler Ende September 1943 ihren Status und erklärte sie zu Militärinternierten.
Was war der Unterschied zwischen Kriegsgefangenen und Militärinternierten?
Kriegsgefangene waren gefangene Militärangehörige eines feindlichen Staates. Militärinternierte waren hingegen internierte Militärpersonen eines verbündeten Staates.
Welche Gründe hatte das nationalsozialistische Regime für den Statuswechsel?
Der Wechsel erfolgte aus Rücksicht auf das befreundete Regime Mussolinis. Als „Militärinternierte“ konnten die Italiener zudem sofort in der deutschen Rüstungsproduktion eingesetzt werden. Für Kriegsgefangene war das nach dem Kriegsvölkerrecht verboten.
Welche Folgen hatte der Statuswechsel für die gefangenen Italiener?
Die einfachen Soldaten wurden sofort zur Arbeit in der Rüstungsproduktion herangezogen. Die für Kriegsgefangene vorgeschriebene Unterstützung durch das Internationale Rote Kreuz – Lebensmittelpakete, Medikamente und Kontrollbesuche – entfiel.
Kollaboration oder Verweigerung?
Ein Großteil der Gefangenen wurde befragt, ob sie in der Wehrmacht, der SS oder in Mussolinis neuen Einheiten weiterkämpfen wollten. Die Nationalsozialisten wollten die Militärinternierten vor allem als Zwangsarbeiter einsetzen. Zusätzlich sollten sie für Hilfsdienste bei der Wehrmacht gewonnen werden. Die Repubblica Sociale Italiana unter Führung Mussolinis hingegen plante den Aufbau neuer Streitkräfte. Über 190 000 Gefangene entschieden sich mit einem „Ja“ zur Kollaboration auf Seiten Mussolinis oder Hitlers. Mehr als 600 000 verweigerten die Zusammenarbeit. Die Folge waren Gefangenschaft und Zwangsarbeit.
Was waren Gründe für ein "Ja" oder "Nein" zur Kollaboration?
Treue zum deutschen Bündnispartner
Faschistische Einstellung
Eid auf den italienischen König
Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen
Misstrauen gegenüber den Deutschen
Allgemeine Kriegsmüdigkeit
Hoffnung auf Rückkehr nach Italien
Angst vor Gefangenschaft
Wie wurden die Anwerbungen durchgeführt?
Deutsche und italienische Kommissionen führten die Befragungen durch. Häufig erfolgten sie nach Essensentzug oder langen Appellen. Den „Ja-Sagern“ wurde eine bessere Verpflegung oder sogar die Heimkehr nach Italien versprochen.
Was passierte mit den Kooperationswilligen?
Ein Großteil der „Ja-Sager“ wurde in die Wehrmacht, die SS oder das neue faschistische Heer eingegliedert. Die meisten wurden den Baukommandos der Wehrmacht und der Organisation Todt zugeteilt. Manche verblieben in den Kriegsgefangenenlagern.
Gruden Giovannini
*1922
Gruden Giovannini war im Kriegsgefangenen-Bau-und Arbeitsbataillon Nr. 195 in Berlin eingesetzt. Mit Hacke und Schaufel beseitigte er den Schutt bombenzerstörter Häuser im Stadtzentrum, immer wieder unterbrochen durch neue Fliegerangriffe. Zudem musste er Gräber für Kriegstote ausheben.
Der Bäcker aus Bozen war 1941 zum Militärdienst eingezogen worden. Die Wehrmacht nahm ihn im September 1943 in Verona gefangen. Zwei Monate verbrachte er im völlig überfüllten Stalag III A in Luckenwalde. Er bekam dort so wenig zu essen, dass er Gemüsegrün auf Feldern pflückte. In den letzten Monaten seiner Gefangenschaft arbeitete Gruden Giovannini in einer Fabrik in Neumarkt bei Halle. Nach Kriegsende kehrte er nach Bozen zurück. Er arbeitete wieder als Bäcker, betrieb ein Sportgeschäft. Giovannini leitete das Bozener Büro des Verbandes der ehemaligen Militärinternierten (ANEI).