Spitzhacken – enthielten Spuren von Zwangsarbeit
Die Spitzhacke war ein Werkzeug, das den Arbeitsalltag vieler Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg prägte: in Bergwerken und Tunnelanlagen, beim Eisenbahn- und Straßenbau. Vor allem der Einsatz unter Tage war eine Knochenarbeit, die vielen das Leben kostete.
Rund 500.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter mussten im Deutschen Reich im Bergbau arbeiten: Zivilisten, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Wie kräftezehrend diese Arbeit war, lassen die Erinnerungen von Bolesław Zajączkowski erahnen, der von 1940 bis 1942 polnischer Zwangsarbeiter in einer Steinkohlegrube in Gelsenkirchen-Rotthausen war:
„In der Grube war ich Lorenkuppler. Natürlich kuppelte man während der Fahrt. Die Loren fuhren mit dem Fördergut auf den Schienen, mit der Kohle, mit Steinen, am schwersten waren die mit Weißstein. Denn bevor wir die Kohle erreichten, musste man die Gänge im Stein bauen. Das war schwere Arbeit. Man war weiß. Und man hatte die so genannte Steinstaublunge. Es pfiff in der Lunge und du spucktest diesen weißen Staub aus, Steinstaub. Aber wenn man Kohle ausspuckte – das war leichte Kohle, Gaskohle, sehr reich, fettig – die Arbeit mit Kohle war nicht so schädlich. Aber beim Stein, wenn man diese Strecken haute, die Hauptgänge, das war sehr schwere Arbeit. Ich war leider der Jüngste im Lager und auch der Jüngste unter den Bergleuten. Ja leider, der Jüngste. Aber ich hatte die gleiche Leistung zu erbringen wie die Deutschen, wie die älteren Bergleute.“
Nicht nur im Deutschen Reich, sondern auch in den besetzten Gebieten wurden Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Bergwerken eingesetzt. Ein Beispiel dafür ist das Kupferbergwerk Bor in Serbien, das einzige Kupfervorkommen, das damals „in deutscher Hand“ war. Tausende Serben wurden hier zur Arbeit zwangsverpflichtet, dazu kamen rund 7.000 jüdische Ungarn, die auf Baustellen im Umfeld des Bergwerks zur Arbeit gezwungen wurden.
Kriegswichtig war in den besetzten Gebieten auch der Bau von Straßen für Militärfahrzeuge und den Transport von Rohstoffen. Organisiert wurden solche Bauprojekte meist von der sogenannten Organisation Todt, einer paramilitärischen Bautruppe der Nationalsozialisten. Sie verpflichte Hunderttausende zur Zwangsarbeit: allein im Juni 1944 circa 290.000 Menschen in Frankreich und noch im März 1945 über 200.000 Menschen in Italien.
Um die deutsche Rüstungsproduktion vor den Bombenangriffen der Alliierten zu schützen, verlagerten die Nationalsozialisten ab 1943 viele kriegswichtige Betriebe unter die Erdoberfläche, in alte Bergwerke, Eisenbahntunnel und neu angelegte Stollen. Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, darunter auch KZ-Häftlinge, wurden eingesetzt, um die Stollen für die neue Nutzung vorzubereiten. Sie arbeiteten unter brutalsten Bedingungen, viele Menschen kamen ums Leben.
Der bekannteste Ort ist das im Südharz gelegene Konzentrationslager Mittelbau-Dora, das im August 1943 errichtet wurde. Die KZ-Häftlinge mussten die nahe gelegene Stollenanlage zur Produktionsstätte der V2-Rakete sowie der V1-Flugbombe umbauen. Von den circa 60.000 KZ-Insassen starben mindestens ein Drittel.
Zahlen
Etwa 26 Millionen Menschen aus fast ganz Europa mussten während des Zweiten Weltkriegs im Deutschen Reich und in den besetzten Gebieten für den NS-Staat arbeiten. Darunter waren Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Die größte Gruppe bildeten die rund 8,4 Millionen ins damalige Deutsche Reich verschleppten Zivilarbeiterinnen und Zivilarbeiter: Männer, Frauen und Kinder aus den besetzten Gebieten Europas.
Im Bergbau mussten allein im Deutschen Reich etwa ein halbe Million Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter arbeiten. Aber auch im Straßen- und Eisenbahnbau wurden Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt.
Gegenwart
Zwangsarbeit ist keineswegs ein längst vergangenes Unrecht. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) sind auch heute noch mehr als 40 Millionen Menschen Opfer von modernen Formen der Sklaverei. Viele von ihnen müssen im Bergbau arbeiten. 29 Millionen der zu Arbeit gezwungenen Menschen sind Frauen und Kinder.
Andrew Forrest, Gründer der Walk-Free-Stiftung, die eng mit den Vereinten Nationen zusammenarbeitet, sagt dazu: „Die Tatsache, dass sich immer noch 40 Millionen Menschen jeden Tag in moderner Sklaverei befinden, sollte uns die Schamesröte ins Gesicht treiben. Moderne Sklaverei betrifft Kinder, Frauen und Männer weltweit. Dies dokumentiert die tief greifende Diskriminierung und Ungleichheit in der Welt, gepaart mit einer schockierenden Toleranz für Ausbeutung. Wir müssen das stoppen. Wir alle können dazu beitragen, diese Realität zu ändern – in der Geschäftswelt, Regierung, Zivilgesellschaft und als Einzelner.“